Modell Pilatus (Methoden)

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Das unten abgebildete Pilatus- Modell systematisiert erprobte Verfahren und empirisch-wissenschaftliche Methoden, die bei einem Projekt mit wissenschaftlichem Anspruch zur Anwendung kommen können.

1            Projektgrundlagen

Unter Projekt verstehen wir allgemein ein mit einer gewissen Ausgangslage und unter bestimmten Rahmenbedingungen systematisch geplantes Vorhaben mit einem definierten Ziel.

Die Erarbeitung der Ausgangslage, der Grundlagen ist Voraussetzung, um ein Projekt überhaupt konzipieren zu können (Orientierungsphase).

Dazu gehören (je nach Ausgangslage des Projekts mehr oder weniger gewichtet)

  1. die Analyse des Auftrags,
  2. eine Bedürfnisanalyse mit der Ableitung eines Anforderungskatalogs,
  3. die Erarbeitung der theoretischen Grundlagen, das Festhalten des aktuellen Forschungsstandes, die Definition relevanter Begriffe usw.

Das Hauptinstrument für das Letztere ist die Recherche nach projekt-/themenrelevanten Inhalten und in der Folge das Wissensmanagement für das Projekt.

Das Projektziel ergibt sich in der Praxis meist aus einem Auftrag (auftragsorientiert) und/oder resultiert aus einem festgestellten Anliegen/Bedürfnis eines Bevölkerungssegments (marketingorientiert). Beim anvisierten Ergebnis, also dem Ziel, kann es sich um ein bedürfnisadäquates materielles Produkt wie um ein Biwak, einen Lautsprecher oder um immaterielle Güter wie Dienstleistungen oder um Unternehmenswerte wie Image oder Absatz handeln.

Das Vorgehen ist systematisch geplant. Zu den Planungsaufgaben gehören organisatorische (Organigramm, Funktionen, Aufgaben, Stellvertretung usw.) wie zeitliche Aspekte (Projektablauf), wobei den Rahmenbedingungen wie den zur Verfügung stehenden Ressourcen und dem Zeitrahmen Rechnung zu tragen ist. Verschiedene Hilfsmittel wie MS Project oder InLoox erleichtern die Projektplanung unter der Berücksichtigung von Zeit und Ressourcen.

Während die Erarbeitung der Ausgangslage und das Festlegen des Projektziels den konzeptionellen[1] Bereich eines Projekts betreffen, ist die Planung und Organisation eine Managementaufgabe.

2            Konzeptionelle Projektablaufmodelle

Als Grundlage zur Planung und Steuerung des eigentlichen Projektablaufs stehen erprobte konzeptionelle Projektmodelle zur Verfügung (Wasserfallmodell, Spiralmodell, V-Modell usw.).

Solche Konzeptmodelle zerlegen die Projektarbeit in Teilschritte, für die jeweils Zwischenziele festgelegt werden und adäquate Verfahren und Methoden zum Einsatz kommen (sollten).

Die meisten dieser Modelle unterteilen den Projektablauf in die folgende Grobphasen:

  1. Orientierungsphase
  2. Konzepthase
  3. Umsetzungsphase (Realisierungsphase; vom Erstentwurf zum marktreifen Objekt)
  4. Testphase, wobei die Tests realiter jeweils parallel zur Konzept- und Umsetzungsphase ablaufen, wie dies im V-Modell bestens zum Ausdruck kommt).
  5. Einsatzphase
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Je nach Disziplin und Projektart werden diese Phasen unterschiedlich bezeichnet, gewichtet und in Teilschritte ausdifferenziert.

So konzentriert sich beispielsweise das V-Modell auf die Projektierung von IT-Entwicklungen und misst der parallel zur Entwicklung laufenden Testphase ein besonderes Gewicht bei.



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3            Verfahren, Techniken und Methoden

Unter Verfahren versteht man allgemein eine systematische, nachvollziehbare und wiederholbare Vorgehensweise. Dabei können in den verschiedenen Arbeitsschritten eines Projekts unterschiedliche Techniken und Methoden zum Einsatz kommen. Bekannt sind die Techniken zur Ideengenerierung (Kreativitätstechniken), Methoden Beurteilung von Objekten und Komponenten (Bewertungsmethoden) und Methoden zur Validierung und Verifizierung (empirisch-wissenschaftliche Methoden).

Zu den in technisch orientierten Projektarbeiten zur Anwendung kommenden Kreativitätstechniken gehören das Brainstorming, das MindMap, die 6-3-5 Methode und der Morphologische Kasten. Der Letztere eignet sich ebenso zur systematischen Entscheidfindung.

Wichtig in technisch orientierten Projektarbeiten sind Bewertungsmethoden als Entscheidungshilfen wie etwa die Nutzwertanalyse mit dem paarweisen Vergleich oder die einfache Matrix.

Empirisch-wissenschaftliche Methoden sind eine besondere Art von Verfahren zur Erkenntnisgewinnung, zur Überprüfung von Hypothesen oder zur Effektivitäskontrolle (Tests, Entspricht das Ergebnis den Erwartungen?) innerhalb eines Projekts. Sie werden als wissenschaftliche Methoden bezeichnet, da ihr Zweck darin besteht, gesichertes Wissen zu generieren oder Thesen und Hypothesen zu überprüfen (wissenschaftlicher Zweck). Zu den bekannten artreinen empirisch-wissenschaftlichen Methoden gehören die Inhaltsanalyse, die (quantitative und qualitative) Befragung, die Beobachtung und das Experiment.

4            Wissenschaftliche Anspruch als Gütekriteriem

Der wissenschaftliche Anspruch an eine Technik oder eine Methode (im Unterschied zum Zweck des Verfahrens) ist eine Qualitätsanspruch. Er besteht in einem Satz von Regeln, die gewährleisten sollen, dass der Einsatz der Technik respektive der Methode wissenschaftlichen Ansprüchen wie der Valididität, der Reliabilität, der Repräsentativität, der Objektivität, und damit der intersubjektiven Ueberprüfbarkeit gerecht wird. So verfolgen Bewertungsmethoden zwar nicht ein wissenschaftliches Ziel (wie Erkenntnisgewinnung, -sicherung), können aber je nach Untersuchungsdesign durchaus wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. In diesem Sinne ist «wissenschaftlich» ein Gütekriterium für den Einsatz von Techniken und Verfahren.

5            Techniken und Methoden in einzelnen Projektphasen

In technisch orientierten Projekten kommen in der konzeptionellen Phase  in erster Linie Verfahren zur Ideengenerierung (Kreativitätstechniken) und Beurteilungsmethoden zur Anwendung. Für die Testphasen eignen sich primär empirisch-wissenschaftliche) Methoden.

Im Folgenden gehen wir auf einzelne Teilschritte eines fingierten Projekts ein und zeigen auf, welche Techniken und Methoden zur Anwendung kommen könnten. Dabei erheben wir keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

5.1         Orientierungsphase

In einem marktorientierten Unternehmen rechtfertigen sich neue Produkte und Dienstleistungen anhand festgestellter Bedürfnisse oder Anliegen einer Zielgruppe. In grösseren Unternehmen und Grossprojekten werden diese auf der Basis von Markt- und Trendanalysen herausgefiltert, um bestehende oder sich abzeichnende Marktnischen festzustellen. Zu diesem Zwecke lassen die Unternehmen periodisch Befragungen (empirisch-wissenschaftliche Methode) durchführen.

Die Kosten für solche Panelstudien sind jedoch für kleinere Unternehmen zu hoch respektive für kleinere Projekte nicht verhältnismässig. So entscheidet man sich für günstigere Varianten zur Bedürfnisanalyse (auf Kosten der Repräsentativität) wie

  1. die Analyse bereits publizierter Befragungsergebnisse im relevanten Themenbereich,
  2. Leitfadengespräche oder moderierte Diskussionen mit idealtypischen Personen der Zielgruppe u.a.
  3. die Entwicklung von Benutzerszenarien und User-Stories mit idealtypischen Figuren der Zielgruppe oder die Umsetzung eines „Use Case“ (Anwendungsfall aus der Sicht des Nutzers).

Die Ausgangslage im Kontextmodul 1 in auf Punkt 3 zugeschnitten. Daraus ergibt sich der Anforderungskatalog (in der Praxis auch als Lastenheft bezeichnet), der die (begründet gewichteten) Anforderungen (= Zielkriterien) an das Produkt enthält und an dem sich die weiteren Schritte orientieren. Diese Anforderungen werden im sogenannten Anforderungskatalog festgehalten.

5.2         Konzeptphase

In der Konzeptphase eines technisch orientierten Projekts geht es vorerst einmal darum, Lösungsideen (Lösungsvarianten) zu generieren. Hier ist der Einsatz von Kreativitätstechniken wie der 6-3-5-Methode oder dem Morphologischen Kasten angebracht.

Voraussetzung für den Einsatz des Morphologischen Kastens ist, dass man vorgängig die erforderlichen Komponenten/Objekteigenschaften (Form, Materialien usw.) (hier: Teilfunktionen genannt) und deren unterschiedlichen Ausprägungen (z.B. Plastik, Holz oder Alu für die Komponente Material) bestimmt. Dies bezeichnet man als Auslegeordnung oder Lösungsraumgestaltung.

Auf dieser Basis lassen sich Komponenten beurteilen und Ausprägungen bewerten. Bewertet oder beurteilt wird im Hinblick auf die Zielkriterien. Anhand dieser begründeten Bewertungen ergeben sich bevorzugte Ausprägungen respektive lassen sich gewisse Ausprägungen ausschliessen. Die Kombination zielkriterienkonformer und miteinander verträglicher Ausprägungen führt schliesslich zu sinnvollen Lösungsvarianten. Aus dem Morphologischen Kasten leitet man in der Regel drei Varianten ab.

In einem letzten Schritt dieser konzeptionellen Phase geht es darum, die optimalste Variante im Hinblick auf die Anforderungen zu bestimmen. Ein geeignetes Verfahren zur Variantenbeurteilung ist die Nutzwertanalyse, die sämtliche Anforderungen mit den entsprechenden Gewichtungsfaktoren in die Entscheidfindung einfliessen lässt. Neben der Nutzwertanalyse bieten sich auch andere, meist einfachere Beurteilungsverfahren, allerdings mit einem geringeren Objektivitätsniveau an (freie Eindrucksschilderungen, einfache Einstufungsverfahren, Rangordnungsverfahren usw.).

Vorgehensbeispiel:

  1. Lösungsraumgestaltung mit dem Morphologischen Kasten (Teilfunktionen nach Relevanz und deren möglichen (sinnvollen) Ausprägungen
  2. Beurteilung der Ausprägungen der verschiedenen Teilfunktionen im Hinblick auf die jeweils relevanten Zielkriterien (beispielsweise mit Nutzwertanalysen)
  3. Ableitung von drei Lösungsvorschlägen durch eine sinnvolle Kombination der bewerteten Ausprägungen.
  4. Beurteilung der drei Lösungsvorschläge durch eine Nutzwertanalyse, wobei vorgängig die dafür eingesetzten Zielkriterien mit einem paarweisen Vergleich gewichtet werden
  5. Wahl der optimalen Lösung
5.3         Umsetzungsphase

Nun folgt schrittweise die Umsetzung vom Grobentwurf bis hin zum marktreifen Produkt. Voraussetzung dazu ist die logische Umsetzung der Benutzeranforderungen in technische Spezifikationen des Produkts und seiner Komponenten (in der Praxis auch als Pflichtenheft bezeichnet).

5.4         Testphase

Zur Sicherstellung der Effektivität des Projekts ist nach jedem Teilschritt zu überprüfen, ob das Zwischenergebnis auch zielkonform ist. Zu diesem Zweck führt man Tests durch (Testphase). So wird der Grobentwurf des Objekts im Hinblick auf die technischen Anforderungen überprüft. Den Anforderungskatalog kontrolliert man im Hinblick darauf, ob er tatsächlich den Bedürfnissen der Zielgruppe entspricht.

Für diese Tests eignen sich die klassischen wissenschaftlichen Methoden wie die Befragung, die Beobachtung oder das Experiment. Doch wie bei der Bedürfnisanalyse gilt auch hier die Regel: Nicht alles, was aus wissenschaftlicher Sicht wünschenswert wäre, ist in der Praxis aufgrund der Ressourcen und Zeitvorgaben auch machbar. So muss man aus ökonomischen Gründen meist Kompromisse bezüglich wissenschaftlichen Ansprüchen eingehen.

Dokumentarisches Festhalten

Wichtig ist, dass jeder Entscheid begründet und dokumentiert wird sowie Vorgehen, gewählte Methoden und Ergebnisse jeweils beschrieben werden, damit die Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist.

Othmar Baeriswyl, Rotkreuz, im März 2021

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